Irgendwo ein Ort. In diesem Ort eine Straße. In dieser Straße ein Haus. In diesem Haus ein Zimmer. In diesem Zimmer ein Schreibtisch. An diesem Schreibtisch sitzt du. Es ist dein Schreibtisch. Dein Schreibtisch ist aber eigentlich kein Schreibtisch, wie sich andere für gewöhnlich Schreibtische vorstellen, nein, dein Schreibtisch besteht obenauf aus einer weiß lackierten Holzplatte. Diese Holzplatte liegt zu deiner Rechten auf einem Bock, zu deiner Linken auf einem Schubladencontainer. Du hast zwei der Schubladen beschriftet: auf der ersten steht Farben div., auf der vierten Gebrauchsanleitungen. Auf den anderen vier Schubladen steht nichts, weil du dort Allerlei aufbewahrst. Weil der Rollcontainer allerdings nicht ganz so hoch ist wie der Bock, hast du in deinen Bücherregalen nach dem allerdicksten Buch gesucht und einen Atlas gefunden. Der trägt nicht nur den Titel Schöner Wohnen, er trägt auch deine Holzplatte horizontal.

Manchmal sitzt du an diesem Tisch und arbeitest. Draußen lärmt ein Ort. Mit Kopfhörern abgeschirmt, konzentrierst du dich lieber auf das Kreischen der Möwen und das Rauschen der Wellen. Das World Wide Web bietet unzählige Möglichkeiten. Du liebst die Ostsee. Von der Stempelplatte an der hinteren Tischkante blitzt dir der Leuchtturm entgegen. Seit einigen Monaten versuchst du nun schon, hinter diesen Horizont zu gelangen. Aber dein Blick ist noch jedes Mal an der Raufasertapete abgeblitzt.

Dann stellst du jedes Mal desillusioniert den Atlas zurück ins Bücherregal, pflückst dir zwei der Holzstifte aus dem Miracle Garden in der rechten hinteren Tischecke, schnallst sie dir mit Büroklammern an die Füße und wedelst damit über die nun schräge weiße Pistenplatte hinunter, wo du den Regenbogen-Radiergummi für einen fantastischen Zieleinlauf nutzt. Wie kann das sein?, werden Leser:innen jetzt fragen, ich lese doch in einer regenbogenfreien Zone! Du sagst: Mit Mut. Habe ich!, werden Leser:innen sagen. Ein Glück. Denn am Ende des Regenbogens ist ein Schatz versteckt.

Pink

An der Tür rechts neben deinem Schreibtisch hängt ein Haken. An diesem Haken hängt dein Schwimmbeutel. Du liebst das Schwimmen. Das hat zwei Gründe. Nirgendwo sonst siehst du so viele Körper, die in ihrer Form, Farbe, Größe usw. gar nicht verschiedener sein können, im Wasser aber dennoch gleich sind. Seit du regelmäßig ins Schwimmbad gehst, führst du einen schamloseren Dialog mit deinem Körper und all seinen menschlichen Bedürfnissen. Außerdem erinnert dich das Wasser immer wieder aufs Neue, dass du kein Stück vorwärts kommst, wenn du dagegen anschwimmst. Go with the flow, wie das so schön heißt. Nicht nur im Wasser.

Rot

Im Bücherregal links neben deinem Schreibtisch steht ein Buch, das du aufschlägst, um spazieren zu gehen. Du verlässt deinen Schreibtisch, dein Zimmer, dein Haus, deine Straße. Du gehst dorthin, wo du nicht hingehörst. Ein erster Schritt. Ein zweiter. Catcallings verstummen. Du eroberst die Stadt. Und die Nacht. Du schlägst das Buch zu und greifst nach den Sternen. Tränen treiben dir dabei in die Augen. Egal. Kurz vor deiner Periode bist du eben immer ein wenig sentimental. Du weißt, mit der Blutung kommt deine Kraft zurück. Der Kreis am Kalender an der Wand links neben dem Bildschirm sagt: Noch zwei Tage.

Orange

Die Zukunft kommt auf jeden Fall. Sich ihr entgegenzustellen macht keinen Sinn (siehe Pink). Übermorgen war vorgestern. Heute gestaltest du sie mit. Du schaffst Möglichkeitsräume, in denen wünschenswerte Zukünfte ihren Platz finden. Das ist anstrengend, aber als bedeutungsvolle Carework vom Staat gut bezahlt. Besonders gerne schreibst du unter dem Bananenbaum im Miracle Garden neue Erzählungen. Veraltete Geschichten radierst du mit dem Marienkäfer am Bleistiftende aus.

Gelb

Unterwegs über die Tastatur radelst du gerne an N A T U R vorbei. Ein besonders leuchtendes Sonnenblumenfeld findest du noch ein Stück weiter hinter dem entlegenen Q. Von dort nimmst du ein, zwei Kerne für dein Haustier mit. Meerschweinchen quieken und leben klimaneutral. Das unterscheidet sie vom Menschen.

Grün

Dein Zimmer ist ein sehr kleines Zimmer. Hier kannst du fokussiert arbeiten und deine Perspektiven verfolgen. Um zwischendurch Frischluft zu schnappen, öffnest du das Bild mit den Bäumen über deinem Schreibtisch. Du atmest frische Waldluft ein, du atmest Kohlendioxid aus. Du atmest frische Waldluft ein, du atmest Kohlendioxid aus. Ein Eichhörnchen hüpft von Baum zu Baum. Deine Frau bringt dir deine Hasentasse mit Kaffee ins Zimmer und küsst dich auf die Stirn. Ein Baum ist nur so gut wie der Wald um ihn herum. Glücklich schließt du das Bild.

Türkis

Du begegnest der Klimakrise mit deiner Kreativität. Du fragst nach Leerstellen und erschließt mit deinen Ideen Möglichkeitsräume. Unter anderem treibt das gemeinsame nachbarschaftliche Training der futures literacy erste Früchte: Ihr freut euch über weibliche Bäume in eurer Straße.

Blau

Zukunft fällt nicht einfach so vom Himmel, du entscheidest dich fortwährend für eine. Deine nennst du: Erde, die. Sie ist groß, rund und chancenorientiert. Wenn du dich unterwegs verläufst, landest du irgendwann wieder am Ausgangspunkt.

Violett

Du wechselst gerne deine Perspektive. Dazu kletterst du auf die Schreibtischlampe in der linken hinteren Tischecke. Von oben erfreust du dich an den vielen verschiedenen Farben und diversen Dingen. Du lebst von der Vielfalt. Kein Wunder, bist du doch selbst Teil eines natürlichen Systems. Nur Diversity schafft Resilienz. Zufrieden seilst du dich ab.

Am Ende des Regenbogens angekommen öffnest du einladend die vierte Schublade. Und jetzt?, werden Leser:innen fragen. Du antwortest: Jetzt haben Sie eine Gebrauchsanleitung gefunden.



Claudia Tondl
DE: Studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Philosophie an der Universität Wien und war Teilnehmerin am uniT-Lehrgang FORUM Text 2016-2018. In künstlerischen Kollaborationen entwickelt sie Projekte für die Bühne sowie sitespezifische Formate im öffentlichen Raum. Im Kollektiv tondlhaas erarbeitet sie zukunftspositive narrative Prinzipien sowohl in theatralen Inszenierungen als auch im Feld der performativen Interventionen und Installationen. | www.tondlschreibt.at

PL: Studiowała teatrologię, filmo- i medioznawstwo oraz filozofię na Uniwersytecie w Wiedniu, brała udział w kursie FORUM TEXT w latach 2016-2018. We współpracy z innymi artyst(k)ami realizuje projekty sceniczne oraz internetowe w przestrzeni publicznej. W kolektywie autorskim tondlhaas opracowuje narratywne reguły pozytywnego pisania o przyszłości (future literacy), zarówno w inscenizacjach teatralnych jak i na polu performatywnych interwencji i instalacji.  Strona autorska: www.tondlschreibt.at

Marta Tomiak (ur. 1990) – absolwentka grafiki projektowej Uniwersytetu Artystycznego w Poznaniu. Ilustruje, robi ziny, właśnie pracuje nad pierwszym komiksem. Wielka fanka powielaczy RISO.